Schlagartig änderte sich die Umgebung. Wo einst blühende Bäume waren war jetzt nur noch vegetationslose Wüste. Wenn ein Baum am Rand des Pfades war, denn der Eremit den Gefährten gezeigt hat, so war er vertrocknet und spendete gerade genug Schatten für Dolon. Obwohl der Himmel wolkenfrei war, und absolut kein Wind wehte, fröstelten die fünf bei jedem Schritt und tief in ihrem Herzen wollten sie umkehren, sich an ihre Kamine setzen und Pfeife rauchen.
Am Abend des dritten Tages ging der Gefolgschaft das Essen aus –worunter besonders Dolon litt- und einen weiteren Tag später war auch das Wasser verbraucht. Obwohl Drake immer öfter in die Luft aufstieg um nach Quelle zu suchen, blieben seine Mühen fruchtlos und langsam schnürte Trockenheit die Kehlen der fünf zu. Nur Nergal murmelte ab und zu ein paar Flüche, die meistens mit „Wenn wir das überleben…“ begannen und mit „so wahr ich hier stehe!“ endeten.
Die Situation änderte sich schlagartig, als Drake am zweiten Tag ohne Wasser, ungewöhnlich lang in der Luft blieb.
„Hat sich abgesetzt, der Bursche“ Asturanon hatte die ganze Reise nicht viel gesprochen, sein Gesichtsausdruck war nun noch verbitterter als man es von ihm gewohnt war.
„Kann ja fliegen. Im Grunde hätte ich das auch getan, an seiner Stelle. Warum mit Freunden sterben, wenn man noch eine winzige Chance auf Rettung hat“
„Natürlich“, Tharos Mine verfinsterte sich. „Wieso weiter mit dem Tod geweihten durch die Wüste ziehen, wenn er noch bis zum Rand der Wüste fliegen kann, wo die Chance von Kameltreiber gefunden und –wenn er Glück hat- versorgt zu werden. Selbst die andere Möglichkeit, dass die Kameltreiber ihn abstechen ist sicher schöner als darauf zu spekulieren ob einen die Hitze wahnsinnig macht und man sich ins sein Schwert stürzt oder man zuerst verdurstet und sich die Aasgeier an deinen Gedärmen gütlich tun“
Die Nacht darauf schliefen alle sehr unruhig. Nur Asturanon schlief tief und fest. Nicht wenige unter den Gefährten waren sich einig, dass das heute ihre letzte Nacht werden würde.
Manch einer hoffte schon, gnädig im Schlaf zu sterben, oder wie Nergal es ausdrückte:
„Tod unter Sternen, wie romantisch“ bei den letzten Worten war sein Hohn unüberhörbar.
Tharos wälzte sich am längsten auf seinem Mantel, der provisorisch als Liege dienen musste, bis er einschlief und er war es auch, der das gleichmäßige Schlagen von den schuppigen Schwingen wiedererkannte, das bereits einige Zeit in der Ferne erklang. Er hätte den anderen davon berichtet, konnte sich aber nicht bewegen, da seine Muskeln rebellierten. Obwohl er sich der nahenden Rettung durchaus bewusst war, drehte er sich um und fiel wieder in seine unschönen Räume, die sich um Wasser drehten.
Die Überraschung am nächsten Morgen war riesig. Das erste, was Asturanon zu sehen bekam, war ein großer Schlauch Wasser. Er dachte schon er leide an Halluzinationen, als er Drakes euphorisches Gesicht dahinter sah. Doch das war weder Traum noch Fantasie.
„Na, habt ihr mich vermisst? Komm steh auf. Die anderen sind schon wach“
„Wo…“
„Ich hab es gesehen“ Drakes Mine veränderte sich rasant und Asturanon sah Drake zum ersten Mal Angst, nein Furcht in den Augen stehen.
„Kommt. Es ist ein Zweitagesmarsch bis zu dem Tempel. Dort könnt ihr die Vorräte wieder auffüllen. Ich hab nur soviel mitgenommen, wie ich tragen konnte“
Auf dem weiteren Weg erzählte Drake, wenn auch mit einer Gewissen Distanz, von dem Tempel.
„Er sticht aus dem unfruchtbaren Boden wie ein Dorn. Unheimlich und doch … erregend … Ich habe so etwas noch nie in meinem Leben zuvor gesehen. Um den Tempel herum liegen grüne saftige Wiesen und ein Bach entspringt unweit des Monuments. Bäume bieten Schatten und einige Wildtiere verstecken sich in den Feldern aus Blumen…“
„Ist das wirklich DER Tempel, den wir suchen?“ Nergal schien bei diesen Beschreibungen, die Lust auf Blut und Ehre vergangen und er fühlte sich ein wenig lächerlich.
Die Gesellschaft ging noch etwa eine Tag, größtenteils schweigend dem Pfad nach, bis Asturanon, der wenn Drake nicht flog, die Vorhut übernahm, die 50 Fuß zu seinen Kameraden zurück rannte. Abgöttische Furcht zeichnete sein Gesicht.
„Wir sind da!“ Dann fiel er in eine leichte Ohnmacht, aus der er bald erwachen sollte.
Langsam erlangte er sein Augenlicht wieder. Er lag, in Decken gehüllt, unter einem verdörrten Baum, der jedoch keineswegs tot aussah, eigentlich viel zu lebendig für einen Baum. Unsanft wurde er aus seinem langsamen Aufwachen gerissen, da Dolon bemerkt hatte, dass Asturanon wieder bei Sinnen war.
„Wo..?“
„Der Tempel“, Drake wurde rot. Der Tempel spuckte auf Drakes Beschreibungen. Die grünen Wiesen waren Morast und Sumpf, die Bäume mehr tot als schattenspendend. Und da war dann noch so eine Aura.
- Der Tempel -
Asturanon sah ihn nicht, aber er wusste sofort, dass er sehr Nahe war.
„Es ist Zeit die Prophezeiung zu lesen, die der Eremit uns gab…“
Dolon kramte in seinem Beutel herum, zog daraufhin ein zerfleddertes Stück Pergament hervor.
„Ich lese vor: Ihr, die ihr…“
„Gib her…“ Unsanft riss Tharos Dolon das Schriftstück aus der Hand „Ihr, die ihr gekommen…“
„Du bist unwürdig dies zu lesen!“
„Es liegt doch an nun wirklich MIR dies zu lesen…!
„Lasst uns nicht streiten…“ Drakes Worte gingen in den Stimmen von Nergal und Asturanon unter, die beide nun auch Ansprüche auf das Pergament stellten…
Nach einiger Zeit waren nur noch Nergal und Tharos an dem Streit beteiligt, da Dolon das Interesse verloren hatte und Asturanon nicht genug Kraft aufbringen konnte, nach seiner Ohnmacht.
„Du elender, mieser kleiner…“
„…Du wolltest schon von Anfang an die Sache in deine Hand nehmen…“
„…Ich kannte deine Mutter, sie…“
„Wenn ich ein Schwert zur Hand hätte“ Dieser Gedanke war Nergal jedoch zuerst gekommen. Seine Hand fuhr unter seine Kutte und er rammte einen Dolch in Richtung Tharos. Dieser Hieb verfehlte nur knapp und da Drake sich mittlererweile das Dokument selbst unter den Nagel gerissen hatte kam die Zankerei zu einem abrupten Stillstand.
„Ihr, “ er erhob die Stimme feierlich „die ihr gekommen seit um mich herauszufordern…“
Asturanon reibt sich erwartungsvoll die Hände.
„…werdet sterben. Es sei denn, dass ihr den Weg über das Meer, den Himmel und die Hölle vorzieht dem Weg der Sterblichen… äh… Mehr steht hier gar nicht“
Alle machten einen betretenen Gesichtsausdruck. Was soll das heißen?
Die Nacht war bereits herein gebrochen und so bauten sie aus Schlamm und Holz von den Bäumen ein Nachtlager. Schlafen konnte in dieser Nacht keiner von ihnen, zu groß war die Aufregung oder die Furcht vor dem Morgen.
Gleich am nächsten Morgen machten sie sich auf um an dem Tempel nach Spuren zu suchen.
Der Tempel. Aus einem einzigen schwarzen Fels gehauen und ohne jegliche Spur von Leben in ihm. Nur kalt und tot. Aber es gab eine Stelle, die eindeutig als Tor zu betiteln wäre.
Nur leider war dieses Tor geschlossen. Aber auch dieses Problem war nicht so schwer zu lösen wie es Anfangs schien. Tharos entdecke bald drei sechseckige Vertiefungen in der Mauer, die das Tor bildete.
„Meer, Himmel, Hölle? Grün, Blau, Rot? Das ganze ist ein Rätsel?“ in Dolons Hirn fügten sich langsam alle Teile zusammen.
„Das kommt mir doch zu einfach vor“ murmelte Nergal vor sich hin.
„Keineswegs“ Tharos deutete auf einen kleinen Rest roter Farbe auf einem der Vertiefungen.
Rasch ließ er sich ein Messer geben und kratzte ROT auf den Fels. Auf einer anderen Vertiefung fand er blaue Farbe und kratzte BLAU hinein.
„Dann ist der letzte grün“ GRÜN kratzte er in den Fels.
„Dann lasst uns das schnell hinter uns bringen“ beherzt tritt Drake hervor und macht einen Schritt in Richtung Tempel.
In Erwartung dessen, dass der Schalter sich sehr leicht bewegen ließe drückte er als erstes nur leicht mit dem Daumen gegen mit GRÜN markierten Schalter. Als dieser keinen fingerbreit nachgab stemmte er seine ganze Hand dagegen und drückte noch ein Mal.
„Lass mich mal“ Dolon stieß Drake einfach beiseite und trat selbst an den Schalter, der ihm, im Vergleich zu Drake, bis an die Stirn reichte.
Die eine Hand bildete eine Faust, die andere umklammerte sein Handgelenk. Er atmete ein Mal fest ein und dann begann er zu drücken. während er drückte, traten die Adern an seinen Armen violett hervor und große Schweißperlen traten auf sein Gesicht. Er wollte schon aufgeben, aber dann fing der Stein doch an nachzugeben und rutsche immer schneller nach innen. Als Dolon etwa bis zum Ellenbogen in der Wand verschwunden zog er den Arm wieder heraus.
„Weiter geht’s nicht… Ohne ein Bier“
„Wir haben nicht mal genug Wasser für alle und du willst Bier“ Nergal war mit einem Mal wieder sauer und fing an wild zu gestikulieren“
„Halt, wir haben wirklich nicht genug Zeit uns hier über Nichtigkeiten und missverstandene Scherze zu Streiten. Dieser Ort ist gefährlich. Er schürt unsere Aggression. Mach weiter, Zwerg“ Drakes Stimme strahlte wieder ihre ursprüngliche Ruhe aus.
Die letzten Zentimeter waren sehr anstrengend für Dolon. Alle paar Minuten musste er sich ausruhen und wieder neu anfangen. Als er beinahe bis zur Schulter im Fels verschwunden war packte Asturanon ihn plötzlich an der Schulter und riss ihn sehr unsanft nach hinten. Dolon wollte schon schreien, was Asturanon einfiele, er habe sich den gesamten Arm aufgeschrammt doch dann sah er den Stahl, der blitzend von dem Dach des Tempels fiel.
„Was zur tausendjährigen Halle meiner Väter war das?“
„Da, an deiner Hand sind BLAUE Farbreste. Wolltest du nicht GRÜN betätigen?“
Dolons blicke huschten schnell zur Wand, an der BLAU und ROT noch eingekratzt war und dann auf seine Hand. Da war tatsächlich blaue Farbrückstände.
„Entweder hat uns jemand eine Falle gestellt und die Farben verändert oder die gelbe Farbe in Grün ist schneller ausgebleicht als die blaue“, erklärte Tharos.
Keiner sprach es aus, aber jeder hielt die zweite Möglichkeit für falsch.
Gegen Abend, als sich alle langsam zu ihren Zelten schlichen blieb Asturanon noch etwas auf. Er wartete bis alle schliefen und dann baute er sich eine Fackel. Er ging noch ein Mal zu der Stelle an der er Dolon vor der herabstürzenden Klinge gerettet hatte. Das in dem Licht der Fackel gespenstisch funkelnde Stück Stahl, das noch immer im trockenen Boden steckte, übte eine riesige Faszination auf Asturanon aus, da es makellos wie aus einem Teil geschmiedet zu sein schien. Langsam näherte sich Asturanons Hand und einer seiner Finger berührte den Stahl nur einen Augenblick. Auf ein Mal fing die Klinge an zu vibrieren und sie gab ein unheimliches Rauschen von sich, wie das Wehklagen von tausenden Personen. Aus Angst die anderen zu Wecken streckte Asturanon noch ein Mal die Hand aus und wollte die Klinge wieder beruhigen. Doch diesmal schoss ein unbändiger Schmerz durch seinen Arm, den Körper hindurch. Er musste krampfhaft die Augen schließen und als er sie wieder auftat, war der Tempel verschwunden. An seiner Statt war jetzt ein großer Berg blutigen Fleisches, das sich wand und pulsierte, wie das Herz der Erde. Wie erstarrt blickte Asturanon auf den Bereich, der ein Mal das Tor gewesen sein musste und sah, wie sich kleine Blasen auf dem bloßen Fleisch auftaten. Die Blasen wuchsen und wuchsen bis sie klare Formen eines Körper, Finger, Knie, Nase, zeigten und sich eine Gestalt aus dem Fleisch heraus schälte. Es war ein Mann, nackt und blutig. Seine Augen in wilder Raserei verdreht, den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen ging er zielstrebig auf Asturanon zu und streckte die Arm nach ihm aus. In seiner Angst griff Asturanon noch ein Mal nach der Klinge, wollte sie aus dem Boden ziehen, diesmal brach sie jedoch knapp über dem Boden ab und war damit nutzlos für den Kampf. In Hoffnung dem Mann zu entkommen ließ er die zerbrochene Klinge fallen und rannte zurück zu den Zelten.
„Hilfe! Eine Ausgeburt des Tempels ist hinter mir her“
Nergal, der sowieso noch nicht geschlafen hatte war sofort nach draußen gestürmt, die Sense in der Hand. Der Mann war schnell beseitigt und als Asturanon wieder in Richtung zum Tempel sah, war der Tempel auch wieder normal. Nur die Klinge war weg. An ihrer Stelle lag jetzt ein Amulett. Ein Amulett in Form der Rune, die sie auf dem Dämon gefunden hatten.
Wenig später saßen alle bei einander am Lagerfeuer.
„Was immer das war, es hat schon mal gelebt. Und ist auch schon mal gestorben“ fing Asturanon an zu erklären.
„Es hat wieder gelebt. Zumindest der Körper“ Tharos runzelte die Stirn
„Na und? Hauptsache es ist wieder tot, oder?“
Als sie gegen Mittag des nächsten Tages ihre Zelte wieder abgebaut und verstaut hatten, Stand die Sonne hoch am Himmel und schien direkt auf den Tempel. Erst jetzt sahen sie, dass tausende feiner Linien über den Tempel gezogen waren. Tharos sagte, das wäre eine uralte Schrift, die nur noch wenige zu lesen vermögen.
Vor dem Tor herrschten unmenschliche Temperaturen und der glänzende Stein des Tempels reflektierte die Strahlen der Sonne, so dass die Gefährten geblendet wurden.
„Komm schon“ Nergal stieß Dolon seinen Arm zwischen die Rippen
„Lass es uns ein für alle Mal hinter uns bringen“
Die drei Schalter waren über Nacht wieder in ihre ursprüngliche Position zurückgerutscht.
Dolon fing an, diesmal den anderen Blauen zuerst einzudrücken. Nachdem es nicht mehr weiter ging versuchte Asturanon es noch einmal, aber der Schalter schien eingerastet zu sein.
Also machte Dolon mit dem zweiten Blauen weiter. Dann folgte der rote Schalter.
Als Dolon wieder bis zur Schulter im schwarzen Stein verschwunden war begann sich etwas im Tempel zu regen. Die Schrift auf der Tempelwand begann zu leuchten. Ein Beben in der Erde, dann wurde die Wand langsam durchsichtig, bis sie nach einiger Zeit ganz verschwand.
Nergals Hand klammerte sich stärker um die Sense.
„Na denn Los!“ Drake ging als erster in den Tempel.
Der Tempel war, obwohl das Loch des Tores riesig war, stockfinster und selbst die Fackeln konnten nur sehr wenig Licht spenden. Sie standen im Nichts, und links und rechts von ihnen war nur bläulicher Dunst.
Asturanon entdeckte als erster den Schatten, etwa drei Körperlängen über ihnen. Er bewegte sich genau wie Drake. Wenn Drake stehen blieb, so blieb der Schatten auch stehen. Wenn Drake weiter ging, so tat der Schatten es ihm nach.
„Meine Seele“ Drake blieb stehen.
„Das dort an der Decke ist meine Seele. Zumindest ein Teil von ihr. Das ist das Tor zur Welt der Toten. Die Zwielichtwelt. Die Zweite Dimension. Nennt es wie ihr wollt. Ich war schon einmal da. Als ich den Dämon bekämpfte. Wer ein Mal dort war lässt für immer einen Teil seiner Seele dort. Wer nicht durch Magie hinein kommt, der kann hier in die Zwielichtwelt eindringen. Aber das müssen wir noch nicht. NOCH nicht!“
Er lief weiter, aber nach etwa 100 Metern versperrten ihnen zwei riesige Statuen von Krieger den Weg. Sie waren so hoch, dass ihre Köpfe im blauen Dunst verschwanden.
„Ein weiteres Rätsel“ murmelte Asturanon.