Ich habe mir jetzt darüber Gedanken gemacht, und das in einem Beitrag im Vinsalt-Forum niedergeschrieben. Ich zitiere mich mal hier, in Antwort auf einen Beitrag vom dortigen Forumsmitglied "Scharlatan" :
Quote
Original von Scharlatan Für mich sage ich es mal so: Ich behaupte Perfektionist geworden zu sein. Die Geschichte, Lokalitäten, NSCs, Kampfvorbereitung und alles andere muß für meine Erwartung 100%ig stimmig und ausgearbeitet sein. Wenn mir das nicht gelingt, bin ich verärgert und das mag vielleicht schon krankhaft sein, ich kann es momentan nicht ändern. Wahrscheinlich bin ich auch zu unsicher geworden und brauche dieses Gefühl der Sicherheit inzwischen einfach aus Ermangelung an sofort verfügbaren Hintergrundwissen. Wie ich aber weiß, ist genau dies von meiner Truppe gar nicht gefordert.
Quote
Interessant ... Ich bin neulich erst wieder auf dieses Problem gestoßen - als Mit-Autor einer "Multi-Autoren-Geschichte" (eine Art Rollenspiel in Romanform).
Ich bin auch im Grunde auch irgendwie Perfektionist, und stelle fest, daß ich mir dabei selbst weh tue. Ich leide auch irgendwie darunter, weil es mir schlichtweg Kraft kostet.
Ich habe gemerkt, daß ich schreiben will, ohne mir eine Schwäche zuzulassen. Ich will keinen Angriffspunkt für alles zerreißende Kritiker bieten. Ich "darf" mir keine Schwäche zulassen, ALSO muß ich perfektionistisch sein. Nur ohne Schwachstelle kann ich nicht angegriffen werden.
Und das kostet Kraft.
Wir hatten jetzt eine Diskussion über die Ausbreitung von Schallwellen. Punkt war der, daß ich meinen Charakter am Boden eines Kellers einer Lagerhalle im Hafenbezirk horchen lies. Ein Mob kündigte sich nämlich an.
Ich schrieb, daß ich das eigentlich hätte ändern müssen, weil ich davon überzeugt wurde, daß das so nicht geht, mit der Schallausbreitung. (Nein, ich will hier KEINE Diskussion darüber. Wir haben das selber schon genug durchgekaut !) Der Punkt, der mich letztendlich zum Einlenken bewegt hat war der folgende : Ich beschreibe in meinen Beiträgen hauptsächlich Stimmungen. Ich entwickle die Geschichte weiter, in dem ich Stimmungen einfange und zu Papier bringe (bzw. in die Tastatur hineinhämmere).
Wenn ich von dem Konzept/Standpunkt der Stimmung aus ausgehe, ist es letztlich egal, ob etwas extrem genau und perfektionistisch zu 100 % recherchiert worden ist. Der "DaVinci Code" ist ja auch nicht perfekt, und wird trotzdem tausendemal verkauft. es gibt mehr als genug Beispiele von erfolgreichen Autoren, die erfolgreich sind OBWOHL sie nicht zu 100 % recherchiert haben. Mehr noch, manche "spielen" sogar mit den Erwartungen und der Wahrnehmung der Leser/Zuschauer ! (Hitchcock, zum Beispiel, oder die Bild und Express, die ausschließlich auf *Stimmungen* setzen).
Das ist der Punkt für mich, an dem ich sagen kann, okay, ich schreibe nicht zu Einhundert Prozent exakt, aber die Stimmung, die ich dabei erzeuge, ist vielleicht so genail, daß man sich noch in 10 Jahren daran erinnern wird.
Das ist vielleicht dann auch der Punkt, den Bogo in seiner Suche nach "hollywoodreifem Rollenspiel" so sehr vermißt : Die Stimmung, die das Spiel damals ausgemacht haben mag. Die Epik, die durch einfache Stimmungsbilder entstanden ist, das "Malen mit Emotionen".
Das ist auch das, was ich weiter oben versucht habe, anzudeuten : Je mehr und je detailreicher ich beschreibe, desto mehr gehen die Stimmung und die Phantasie verloren. Auf dem Weg zu deutschem Bürokratentum. Rollenspiel als Erfindung von Mathematikern.
Ich denke, das ist es auch, was "die Redaktion" (TM ? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> ) mit dem Jahr des Feuers und vielleicht auch mit der Etabblierung der Schwarzen Lande" versucht hat : Ein Stimmungsbild aufzubauen.
Im Jahr des Feuers wurden Strukturen, die möglicherweise zu sehr in Richtung Bürokratentum und mathematik-gleicher Exaktheuit und "Ausdetailliertheit" tendierten, bewußt zerstöört, um das Rollenspiel wieder durch "Stimmung" erfahrbar zu machen, Detailreiche Beschreibungen wurden für Nichtig erklärt, um den Spielleitern die Möglichkeit zu geben, selber mit eigenen Worten Stimmungsbilder zu erzeugen.
Für das Wort "Stimmunsbild" könnt ihr - dednke ich - alles einsetzen, was mit Emotionen, Gefühlen und Stimmung zu tun hat. Also z.B. Stimmungsbild = Gefühlsbild.
Das, was im Spieler vorgeht, ist das, woran Mann/Frau sich noch in 20 Jahren erinnern wird, nicht die Detailliertheit der ausgearbeiteten Umgebung.