"Satinavs Auge" ist der erste DSA-Roman von Tobias Radloff. In einem Interview hatte er schon einiges zum Roman erzählt, was Interesse auf mehr weckte. Die eigentliche Handlung ist schnell erzählt:

Silvanessa, ambitionierte Gardistin, und Anconio, ungeschickter Magierlehrling, versuchen zunächst unabhängig voneinander einen Überfall bzw. Mord aufzuklären. Schnell wird ihnen jedoch klar, dass sie nur gemeinsam Erfolg in ihren Bestrebungen haben können. Richtig, die Handlung folgt dem klassischen "Buddy-Movie" im Ermittler-Milieu: Zwei unterschiedliche Charaktere raufen sich zusammen, um einen Fall zu lösen.

Es handelt sich um eine Detektivgeschichte im Horasreich, die Actionfilmklischees in einem Mantel- und Degen-Ambiente ansiedelt. Das Problem dabei ist, dass das einige Zeit sehr gut funktioniert, aber gerade beim Spannungshöhepunkt stört. Dieser fällt deutlich ab, ziemlich genau ab dem Kampf in Aldyra, der sehr unrealistisch wirkt. Kurze Textabschnitte mit offenem Ende öden nur an und zeigen deutlich, dass eine schnelle Szenenabfolge zur Spannungserzeugung vielleicht in einem Film funktioniert, aber nicht in einem Buch. Das Finale ist deutlich von Indiana Jones (auf der Suche nach dem Gral oder, wie nur im Computerspiel, nach Atlantis) inspiriert. Unnötig ist meines Erachtens vor allem die Gefahr, die von Satinavs Auge ausgeht. Hier hätte man besser einen klassischen "MacGuffin" verwenden sollen. Muss es denn immer gleich um soviel gehen?

Die im Roman vorkommenden Figuren sind einfach, der Plot leicht durchschaubar. Das "Wer war's" ist schnell beantwortet und dürfte für regelmäßige Krimigucker keine Überraschungen bieten. Sowohl die falschen Spuren als auch die Enthüllung der Vergangenheit sind vorhersehbar. Es fehlt eine ironische Brechung, der übliche Plot und die Figurenkonstellation müssten persifliert werden, um der altbackenen Geschichte neuen Reiz zu verleihen. Stattdessen bleibt das Buch trotz einiger lustiger Stellen todernst.

Überrascht hat mich nur, wie viele wichtige Nichtspielercharaktere entsorgt werden. (*) Der Roman mag überzeugen, wenn es um die korrekte Schilderung sehr vieler aventurischer Details geht. Allerdings macht sich umgekehrt hier das Fehlen eines Indizes bemerkbar, der diese Ausdrücke für Neulinge erläutert. Einen guten Einfall stellt die Idee dar, die typische Bettszene absichtlich nur in der Fantasie des Helden stattfinden zu lassen. Zudem ist sie aus der Handlung motiviert und nicht reiner Selbstzweck, dazu noch humorvoll aufgelöst. Das Titelbild könnte einen Gargyl darstellen, wirkt aber dennoch abschreckend auf Außenstehende. Mich hat man im Bus sehr belustigt darauf angesprochen.

Unterm Strich bleibt ein Roman, der zwar sprachlich solide geschrieben ist, in Handlung und Personen jedoch so wenig Neues bietet, dass er mindestens zwanzig Jahre zu spät kommt. Welch Ironie, wenn man bedenkt, dass im Titel ausgerechnet der Zeitfrevler Satinav vorkommt.

*
Meister Taborax, Xhindan, die Kaiserin


Anbei eine Liste der Klischees, die im Buch vorkommen:
  • der fähige, aber verbohrte Kämpfer, dessen Freund/Partner/naher Verwandter nach einem Streit vor seinen Augen ermordet wird
  • der nette Tollpatsch, der so gerne ein Held wäre
  • der leicht reizbare Vorgesetzte, der den Helden wegen Regelübertretungen kritisiert und die Ermittlungen verbietet / entziehen will
  • die stets unzufriedenen Chefs / Eltern, die den Helden schikanieren und dadurch noch sympathischer machen
  • der Freak, welcher lang und breit eine Geschichte erzählt und damit den Helden nervt (und gleichzeitig später nötiges Spezialwissen gibt)
  • der edle Dieb, der sich für die Unterdrückten und Armen einsetzt
  • der zwielichtige und skrupellose Machtmensch, der Zweifler nicht duldet
  • der eiskalte Killer, bisher ungeschlagen im offenen Kampf
  • eine tragische Familiengeschichte in der Vergangenheit des Helden, die im Rahmen des Falls wieder hervorkommt
  • die Helden sind eigentlich schon zwei- bis dreimal erledigt, holen aber aus unerfindlichen Quellen noch einmal mehr Energie zum finalen Schlag / Zug
  • theatralischer bis sensationeller Abgang der Bösen
  • Überfall auf Unschuldige, die Schlüsselstücke in Verwahrung haben (dramatische Rettungsszene)
  • Szene in der Gerichtsmedizin
  • Ende: Wie nach einem Pilotfilm ("es gibt viel zu tun"), absichtlich vage gehalten, damit es bei Erfolg weitergehen kann


Insgesamt stimme ich also Ralfs Rezension vollkommen zu, auch wenn ich es in eigenen Worten ausdrücken möchte. Wenigstens in einem Punkt gibt es Erleichterung:

Originally Posted by Ralf
Ts. Ausgerechnet Tobias Radloffs "Satinavs Auge", den ich für einen der schwächsten DSA-Romane der letzten Jahre halte, wurde als erster DSA-Roman für den Deutschen Phantastik-Preis nominiert ... (wo er übrigens u.a. gegen Bücher der (Ex-)DSA-Autoren Bernhard Hennen und Tom Finn antritt)


Es blieb zum Glück bei der Nominierung für Deutschen Phantastik-Preis 2008, denn gewonnen hat schließlich "Tintentod" (alis Tintenwelt 3) von Cornelia Funke.

Wenn ich mir allerdings die anderen Nominierungen in der Kategorie "Bester deutschsprachiger Roman" ansehe, läuft's mir kalt den Rücken runter:
  • Bernhard Hennen: (Elfenritter 1) Die Ordensburg (Heyne, 2007, ISBN 978-3-453-52333-3)
  • Christoph Hardebusch: Die Schlacht der Trolle (Heyne, 2007, ISBN 978-3-453-53270-0)
  • Cornelia Funke: (Tintenwelt 3) Tintentod (Dressler, 2007, ISBN 978-3-7915-0476-6)
  • Stephan R. Bellem: (Die Chroniken des Paladins 1) Tharador (Otherworld, 2007, ISBN 978-3-9502185-6-5)
  • Susanne Gerdom: Elbenzorn (Piper, 2007, ISBN 978-3-492-70116-7)
  • Thomas Finn: (Die Chroniken der Nebelkriege 3) Die letzte Flamme (Ravensburger, 2007, ISBN 978-3-473-35272-2)
  • Tobias Radloff: (DSA 97) Satinavs Auge (Fantasy Productions, 2007, ISBN 978-3-89064-495-0)

Christoph Hardebuschs zweites Trollbuch habe ich gerade durch. Eine genaue Rezension soll noch folgen, aber es sei schon jetzt gesagt, dass es die übliche Fantasy-Hausmannskost ist, die keinen Veteranen vom Hocker reißen wird. Von Bernhard Hennens Elfenbüchern kenne ich die ersten drei Teile, die eine sehr schwankende Qualität besitzen. Von den restlichen Nominierungen kenne ich nichts, finde es aber beachtlich, wie viele Fortsetzungen sich insgesamt darunter befinden (mindestens vier!). Da scheint in der deutschen Fantasyromanszene nicht viel los zu sein. Allerdings sieht der offizielle Internetauftritt des Preises so amateurhaft aus, dass da nicht viel hinterzustecken scheint. Zudem erfolgten die Nominierungen per E-Mail durch die Leser, d.h. die breite Masse zeichnet aus. Da wundert einen nichts mehr.


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