Wie völlig gegen alle Erwartung, daß Du Deinem "Namensvetter wider Willen" so vorbehaltlos Zustimmung zollst, Ralf. smirk

...

Dennoch möchte ich in Weiterung des Themas "Metropolis" noch einmal kurz auf den Film zurück kommen:
Wer im Anschluß noch die Dokumentation auf arte "die reise nach metropolis" gesehen hat, wird den spezifischen Teil zur "Leidensgeschichte" des Monumentalwerks schon weitgehend kennen.

Hier nichtsdestotrotz ein interessanter Artikel auf Telepolis, der sich nicht nur auf das Werk von Fritz Lang im Speziellen fokussiert, sondern auch zum Stummfilm generell - seiner Historie und seiner unterschiedlichen Rezeption durch die Jahrzehnte - mit einigen erhellenden Einlassungen und Details aufwartet.


So räumt er mit einem offenkundig lange Zeit verbreitetem Mißverständnis auf, daß das das "stumm" im Film sich nicht nur auf die Akteure bezöge, sondern die Filme auch in absoluter Stille zu Gemüte zu führen sein - mit auch heute noch, trotz Ton im Film(!) bekannten Folgen im Rahmen des "Gemeinschaftserlebnisses Kino".
Das widerspricht nach moderneren Erkenntnissen aber nicht nur der üblichen Präsentation zu ihrer Hochzeit, sondern konterkariert sogar eigentlich auch Entstehungsprozess der Filme selbst.

  • ... Schwieriger wurde es bei Langs Die Nibelungen. Der Film hat zwei Teile, jeder Teil dauert etwa
    zweieinhalb Stunden und besteht aus sieben "Gesängen". Meiner Erinnerung nach wurde es jeweils um den
    fünften Gesang herum kritisch. Viele von denen, die nun schon deutlich mehr als eine Stunde lang
    versuchten, möglichst still dazusitzen und andächtig zu sein, fanden es immer schwerer, ein albernes, aus
    der Situation geborenes Kichern zu unterdrücken. ...

    Natürlich sind Stummfilme nicht dafür gemacht, dass man sie in völliger Stille sieht. Als man sie
    wiederentdeckte, gab es unterschiedliche Versuche, dem Rechnung zu tragen. Ich habe noch alte
    VHS-Kassetten aus Amerika mit grell überbelichteten, zu schnell laufenden Filmen, denen irgendeine
    klassische Musik unterlegt ist. Meistens sind es "Die vier Jahreszeiten" von Vivaldi – und zwar ganz
    unabhängig davon, ob gerade gemordet wird wie in Schatten oder ob in einem bankrotten Operettenstaat
    die Revolution ausbricht wie in Die Finanzen des Großherzogs. ...

    Auch aufführungstechnisch näherten sich die Stummfilme in den 1980ern wieder dem an, was einmal
    gewesen war. In München erstürmten die Hunnen eine Trutzburg der Hochkultur, als die von Patalas
    restaurierten Fassungen von Die Nibelungen, Metropolis und Nosferatu mit Orchesterbegleitung im
    Kulturzentrum am Gasteig gezeigt wurden. Die Filme von Fritz Lang profitierten davon ganz besonders.
    Beim Massaker an Etzels Hof lachte jetzt niemand mehr. Für Die Nibelungen und Metropolis hatte
    Gottfried Huppertz die Musik geschrieben. ...


Ein weiteres, nicht so im allgemeinen Bewußtsein verankertes Faktum ist, daß die Gleichung "Stummfilm = Schwarzweißfilm" ebenfalls nicht aufgeht.
Viele der Filme waren koloriert, sogar dahin gehend daß ihre "Entfärbung" später für logische Brüche sorgen, die man den Originalen zu Unrecht anlasten würde.

  • "... Enno Patalas versuchte nicht nur, aus den erhaltenen Fragmenten eine möglichst vollständige Version von
    Nosferatu zusammenzustellen, er färbte seine Version auch so ein, wie er dachte, dass es früher gewesen
    sein könnte. In den 1980ern war das eine völlig neue Seherfahrung. Vieles, was einem bis dahin komisch
    vorgekommen war, ergab plötzlich einen Sinn. Am Ende zerfällt der Vampir im ersten Licht der Sonne.
    Aber vorher trägt er – in der Schwarzweißversion – tagsüber seinen Sarg spazieren. Wenn man die Bilder
    blau einfärbt, wird aus Tag – der damaligen Konvention nach – Nacht, und Nosferatu macht sich nicht
    mehr lächerlich. ..."



Vielleicht ist da für den ein oder anderen noch einiges mehr Interessantes dabei. wink


... und ergänzend hierzu (später im Forum zum Artikel noch gefunden wink ) möchte ich noch Rüdiger Suchslands Artikel auf [b]"artechock"[/b] empfehlen (schreibt sonst auch Rezensionen für Telepolis), der sich mehr auf die zeitgenössischen Zusammenhänge konzentriert, und den Platz des Filmes darin, sowie seine Strahlkraft auf spätere Generationen Film- und populäre Kunst Schaffender.
Da findet sich dann auch noch mal ein größeres Sammelsurium an Referenzen in späteren Werken.


Ragon, der "stumme" Magier
delight

Last edited by Ragon_der_Magier; 14/02/10 05:23 PM. Reason: weiterer Artikel/Link