DRAKENSANG - AM FLUß DER ZEIT: DAS FERDOKER PERGAMENT von Florian Don-Schauen:

Der begleitende Roman zum zweiten "Drakensang"-Computerspiel erzählt seine Geschichte größtenteils aus der Perspektiver dreier unterschiedlicher Hauptpersonen/-gruppen:
Da wäre einmal Gwidion, ein junger Havener Dieb, der seiner "Chefin" Mora beim Diebstahl eines mysteriösen Dokuments direkt aus dem Havener Fürstenpalast hilft, für das ein mindestens ebenso mysteriöser Auftraggeber sehr viel Geld bietet.
Als zweites haben wir die junge Hesinde-Geweihte Swanja, die durch Zufall Zeugin des Diebstahls besagten Ferdoker Pergaments wird und sich aufgrund ihrer göttingegebenen Neugierde selbst immer stärker in das undurchsichtige Geschehen verstrickt.
Und schließlich folgen wir der Magierin Frau von Sperberling, die im Auftrag der KGIA als magische Ermittlerin bei besonders komplizierten oder bedeutenden Verbrechen tätig ist und von ihrem gutherzigen, tierliebenden Diener Tugol begleitet wird.

Wie man erahnen kann, dreht sich die ganze Geschichte um das "Ferdoker Pergament", das sich als sehr gefährlich erweist. Wie man es von Geschichten mit einem derartigen Aufbau gewohnt ist, treffen die drei Haupthandlungsstränge irgendwann aufeinander - ungewohnt ist jedoch, daß sie ab dieser Stelle keineswegs gemeinsam vorgehen. Tatsächlich ist es so, daß sich die Wege der verschiedenen Gruppen immer wieder kreuzen, einige Personen vorübergehend auch gemeinsam ihres Weges gehen, insgesamt jedoch bis zum Ende niemals eine Einheit werden. Das ist einerseits eine sehr interessante und spannende Vorgehensweise, da sie relativ ungewöhnlich ist und viele Möglichkeiten der weiteren Handlungsentwicklung offenläßt. Andererseits ist es für den Leser aber mitunter etwas irritierend, da es schwierig ist, jederzeit den Überblick darüber zu behalten, wer gerade mit wem wo und warum unterwegs ist (was durch gelegentliche Namensverwechslungen des Autors auch nicht erleichtert wird) ... wink
Insgesamt funktioniert die Vorgehensweise des Autors jedoch ziemlich gut.

Davon abgesehen ergeben sich die üblichen Vor- und Nachteile einer solchen Perspektiven-Aufteilung. Hauptnachteil ist der schleppende Beginn, der angesichts der Vielzahl an wichtigen Figuren, die dem Leser nahezubringen sind, wohl fast unvermeidlich ist. Hauptvorteil ist, daß eine solche Erzählkonstruktion natürlich ein viel komplexeres und vielschichtigeres sowohl Handlungs- als auch Beziehungsgeflecht der handelnden Figuren untereinander ermöglicht. Tatsächlich erfreut die überwiegend sehr glaubwürdige und nur selten klischeehafte Zeichnung der Charaktere und ihrer Beweggründe und tröstet größtenteils erfolgreich darüber hinweg, daß die eigentliche Schnitzeljagd-Handlung doch recht dünn ist und auch bis zum Ende bleibt. Das ist auch der Hauptgrund dafür, daß "Das Ferdoker Pergament" kein sehr guter DSA-Roman geworden ist - aber immerhin ein guter. Ein Kritikpunkt trifft allerdings auch das ziemlich antiklimaktische Finale: Da wird man mehr als 400 Seiten lang auf einen großen Showdown vorbereitet - und dann wird der in nicht mal 20 Seiten abgehandelt. Da hatte ich mir mehr erwartet ...

Die Verknüpfung mit "Drakensang - Am Fluß der Zeit" ist übrigens relativ überschaubar. Die beiden Diebe Cuano und Mora spielen Nebenrollen, was aber lange Zeit die einzige echte Verbindung zu sein scheint. Erst auf den letzten etwa 100 Seiten gibt es eine Reihe von Anspielungen auf die Handlung des PC-Spiels und auch ein paar "Cameos" von "Drakensang"-Figuren.
Da "Das Ferdoker Pergament" als Begleitbuch zum PC-Spiel nicht innerhalb der normalen DSA-Roman-Reihe erscheint, hat es ein größeres Format, eine deutlich edlere Aufmachung und in der Buchmitte einige gelungene (wenn auch teilweise etwas klischeehafte) Porträts der Hauptfiguren sowie Karten der im Buch besuchten Orte. Ob das den im Vergleich zu den normalen DSA-Romanen doppelten Preis rechtfertigt, weiß ich nicht - aber im Bücherregal macht sich das Buch optisch durchaus gut. smile

Fazit: Ein schöner, atmosphärischer DSA-Roman, dessen Hauptstärke die glaubhafte und sympathische Figurenzeichnung ist. Außerdem durchzieht ein gewisser (im Buch schließlich sogar schlüssig erläuterter) märchenhafter Hauch die gesamte Geschichte, was gerade Alrik gut gefallen dürfte ... wink
(Knapp) Note 2.

Last edited by Ralf; 27/06/10 09:42 AM.