Eigentlich beginnen in den USA die Upfronts ja erst heute, aber der seit einigen Jahren stark kriselnde Sender NBC hat bereits gestern sein komplettes Programm für die TV-Saison 2011/2012 an die Presse gegeben. So sieht es aus (als hauptsächliche Quelle dient serienjunkies.de):

Abgesetzt wurden:
- "The Cape": Die von der Prämisse her an Batman erinnernde Actionserie um einen Polizisten, der nach einer Verschwörung gegen ihn seinen Tod vortäuscht, um anschließend als maskierter Superheld (allerdings ohne Superkräfte) das Verbrechen zu bekämpfen, war trotz illustrer Besetzung (u.a. Ex-"er"-Arzt David Lyons, Summer Glau aus "Firefly", James Frain aus "Die Tudors", Vinnie "Die Axt" Jones) von Anfang an ein Flop und wurde folgerichtig nach einer kurzen Staffel abgesetzt.
- "Chase": Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer (im Kino u.a. "Fluch der Karibik"- und "Transformers"-Reihen, im TV v.a. das "C.S.I."-Franchise) hat im TV-Bereich schon seit einiger Zeit eine richtige Pechsträhne. Auch sein neuer Versuch mit dieser Action-Serie um eine Gruppe von U.S. Marshalls (u.a. Amaury Nolasco aus "Prion Break") auf der Jagd nach flüchtigen Verbrechern übersteht mangels Zuschauerinteresse nicht die erste Staffel.
- "The Event": Nach "Flash Forward" ein weiterer gefloppter Versuch, eine neue, aufwendig produzierte Serie mit durchgehender (Verschwörungs-)Handlung zu etablieren. Da halfen auch TV-Veteranen wie Laura Innes ("emergency room") oder der immer grandiose Zeljko Ivanek (u.a. "Damages", "Heroes") vor der Kamera nicht. Absetzung nach einer Staffel wegen viel zu niedriger Zuschauerzahlen.
- "Friday Night Lights": Die von Kritikern hochgelobten, aber dem Publikum ebenfalls weitgehend verschmähte Serie um eine footballverrückte Kleinstadt wurde planmäßig nach fünf Staffeln beendet. Und diese fünf Staffeln sind angesichts der schwachen Quoten schon eine kleine Sensation.
- "Friends with Benefits": Die Sitcom wurde bislang gar nicht erst ausgestrahlt und könnte letztlich gar als Direct-to-DVD-Release enden ...
- "Law & Order: Los Angeles": Der Versuch, das langlebige Krimi-Franchise zu reanimieren, indem man das Urgestein "Law & Order" zugunsten dieses bereits vierten Spin-Offs beendete, erwies sich als Fehlschlag. Trotz der Kinostars Alfred Molina und Terrence Howard in den Hauptrollen sowie einer radikalen inhaltlichen Neuausrichtung nach einer halben Staffel blieben die Zuschauer der Serie fern (obwohl die Kritiker von der zweiten Staffelhälfte durchaus angetan waren). Abgesetzt nach einer Staffel.
- "Love Bites": Auch diese neue Sitcom mit Greg Grunberg ("Alias", "Heroes") wurde noch gar nicht ausgestrahlt, ist aber immerhin noch für das Sommerprogramm von NBC eingeplant. Abgesetzt wurde sie trotzdem bereits nach einer Staffel.
- "Outlaw": Die neue Krimiserie mit Jimmy Smits ("The West Wing", "Dexter") wurde bereits nach drei Folgen abgesetzt.
- "Outsourced": Die auf einem bereits wenig erfolgreichen Kinofilm basierende Sitcom um eine amerikanische Firma, die ihre Produktion nach Asien verlegt, kam zwar immerhin auf halbwegs akzeptable Quoten, wurde aber trotzdem nach der ersten Staffel abgesetzt.
- "The Paul Reiser Show": Das TV-Comeback des in den USA sehr populären Comedians Paul Reiser ("Verrückt nach Dir", außerdem unvergesslich als Bösewicht in "Aliens - Die Rückkehr") wurde bereits nach der Ausstrahlung von zwei Episoden abgesetzt.
- "Perfect Couples": Nächste neue Sitcom, nächste Absetzung nach einer Staffel.
- "Undercovers": Auch Erfolgsproduzent J.J. Abrams ("Lost", "Alias", "Fringe") ist kein Hitgarant. Diese an den Kinofilm "Mr. & Mrs. Smith" mit Brad Pitt und Angelina Jolie erinnernde Actionserie um ein Ehepaar mit CIA-Vergangenheit wurde vom Publikum nicht angenommen und wurde folglich ebenfalls bereits nach einer Staffel abgesetzt.

Für die Serienfans außerhalb der USA ist diese Absetzungsliste eigentlich ziemlich vorteilhaft, denn da fast ausschließlich neue Serien gecancelt wurden, werden die meisten davon hierzulande sowieso nicht ausgestrahlt werden (wobei "Law & Order: LA" wohl bei RTL gezeigt werden wird). Insofern gibt es wenig Grund, diesen Serien nachzutrauern. Wobei ich es zumindest um "The Event" trotzdem sehr schade finde, da dieser erneute Flop unter Umständen das vorläufige Ende jeglicher Serials bei den großen US-Sendern bedeuten könnte. Und die arme Summer Glau dürfte ruhig auch mal eine Serie erwischen, die länger als ein oder zwei Staffeln durchhält, sonst kriegt sie noch den unerfreulichen Ruf des Pechmagneten und wird gar nicht mehr angeheuert (wobei ihr "Firefly"-Kollegen Nathan Fillion ja auch erst einige Fehlschläge überstehen mußte, ehe mit "Castle" der Erfolg kam) ...

Zum Erfreulicheren, zunächst die verlängerten Serien:
- "30 Rock": Die Quoten der Behind-the-Scenes-Sitcom mit Tina Fey und Alec Baldwin waren noch nie herausragend, aber solange die Serie bei den Preisverleihungen weiterhin so abräumt wie bisher, ist die Serie als eines der wenigen Prestigeobjekte bei NBC sicher. Allerdings liebäugelt Baldwin mit einem Ausstieg nach der kommenden sechsten Staffel.
- "Chuck": Wie bereits berichtet, geht die vergnügliche Spionageserie trotz unverändert schwacher Zuschauerzahlen in ihre fünfte und letzte Staffel.
- "Community": Diese Sitcom mit Comedy-Urgestein Chevy Chase fährt zwar wie "30 Rock" hervorragende Kritiken ein, hat aber noch schwächere Quoten. Insofern ist die Verlängerung um eine dritte Staffel eine positive Überraschung.
- "Harry´s Law": Die neue humorvolle Anwaltsserie von David E. Kelley ("Boston Legal", "Ally McBeal") plagt das gleiche Problem wie eigentlich alle Anwaltsserien der letzten Jahre: Gute Quoten bei der Gesamtzuschauerzahl, schwache Zuschauerbeteiligung bei der werberelevanten Zielgruppe. Wäre das NBC-Programm nicht generell so erfolglos, hätte "Harry´s Law" mit OSCAR-Gewinnerin Kathy Bates in der Hauptrolle wohl nach der ersten Staffel das Zeitliche segnen müssen. So gelang die Verlängerung um eine zweite Staffel aber relativ problemlos.
- "Law & Order: Special Victims Unit": Die nach wie vor beliebte Krimiserie geht bereits in die 13. Staffel und wird damit nächste Saison wahrscheinlich letzte verbliebene "Law & Order"-Serie sein (die Absetzung von "Criminal Intent" beim Schwester-Sender USA Network nach der laufenden Staffel ist eigentlich bereits beschlossene Sache, könnte aber angesichts eines überraschend zuschauerstarken Staffelauftakts noch einmal überdacht werden). Allerdings benötigt man wohl eine neue Hauptdarstellerin, da Mariska Hargitay nicht mehr in allen Folgen auftreten wird.
- "The Office": Die erfolgreiche US-Version von "Stromberg" (und beide Serien basieren auf dem britischen "The Office"-Original von und mit Ricky Gervais) geht in die achte Staffel - allerdings mit neuem Hauptdarsteller, da Steve Carell seinen Abschied genommen hat. Wer seine Nachfolge antritt, ist trotz vieler Gerüchte noch unbekannt und wohl auch noch unentschieden. Oder NBC hat sich die Enthüllung für die tatsächliche Upfront-Show heute Abend aufgehoben ...
- "Parenthood": Die Familienserie mit Peter Krause ("Six Feet Under") und Lauren Graham ("Gilmore Girls") profitiert ebenfalls von der schwachen senderinternen Konkurrenz und erhält trotz mittelmäßigen Zuschauerzuspruchs eine dritte Staffel.
- "Parks and Recreation": Die Sitcom mit Amy Poehler geht bereits in die vierte Staffel.

Es wurden also fast alle etablierten Serien verlängert, mit "Harry´s Law" schaffte es dagegen nur eine einzige neue Serie ins neue Programm. Das dürfte rekordverdächtig sein und zeigt wunderbar auf, wie verkorkst die letztjährige Programmplanung bei NBC war ...

Neue Serien:
- "Are you there Wodka? It´s me, Chelsea": Die Sitcom mit dem wohl originellsten Titel des Jahres basiert auf einem autobiographischen Buch über Jugend und Erwachsenwerden der US-Comedian Chelsea Handler, die von Laura Prepon ("Die wilden 70er", Nikki Heat in "Castle") verkörpert wird.
- "Awake": Das wohl interessanteste neue Projekt wird als "Inception in Serienform" bezeichnet und kann mit dem Briten Jason Isaacs ("Der Patriot", Lucius Malfoy in der "Harry Potter"-Reihe) einen starken Charakterdarsteller in der Hauptrolle vorweisen. Er spielt einen Detective, dessen Leben sich nach einem Unfall in zwei parallele Welten aufteilt. Zu den weiteren Hauptdarstellern zählen Serienroutiniers wie Steve Harris ("The Practice"), B.D. Wong, Michaela McManus (beide "Law & Order: SVU") und Wilmer Valderrama ("Die wilden 70er").
- "Bent": Eine neue Sitcom von "Scrubs"-Co-Schöpfer Tad Quill, mit Amanda Peet ("Keine halben Sachen") in der Hauptrolle einer frisch geschiedenen Frau, die sich ein neues Leben einrichten will.
- "Best Friends Forever": Eine weitere Sitcom ohne großen Namen.
- "Free Agents": Die Comedyserie über zwei PR-Agenten ist die Adaption einer britischen Serie. Anthony Stewart Head (Giles in "Buffy", Uther in "Merlin") wird seine Chef-Rolle aus der britischen Version auch in der US-Version übernehmen, vermutlich als wiederkehrender Gastdarsteller.
- "Grimm": Noch eine neue Serie mit zwei verschiedenen Realitätsebenen. Es geht um einen Polizisten, der entdeckt, daß vor allem die bösen Figuren aus Grimms Märchen in unserer heutigen Welt existieren, allerdings in ganz normaler menschlicher Gestalt. Nur einige wenige können ihre wahre Gestalt erkennen. Die Darsteller sind relativ unbekannt, aber die Serienschöpfer Jim Kouf und David Greenwalt waren immerhin schon treibende Kräfte bei "Angel".
- "Prime Suspect": Eine US-Version der legendären britischen Krimireihe "Heißer Verdacht", die Helen Mirren endgültig zum internationalen Durchbruch verhalf. Nun übernimmt Maria Bello ("emergency room", "A History of Violence", "The Cooler") die Hauptrolle der unbequemen Polizistin, die sich teilweise mehr mit der Machokultur innerhalb der Polizei rumärgern muß als mit ihren Fällen.
- "The Playboy Club": Auf den Spuren der höchst erfolgreichen Kabel-Serie "Mad Men" wandelt diese neue Serie, die in den 1960er Jahren rund um einen legendären Nachtclub in Chicago spielt. Zu den Hauptdarstellern zählen Eddie Cibrian ("C.S.I. Miami"), David Krumholtz ("Numb3rs") und Amber Heard ("Zombieland", "Drive Angry").
- "Smash": Die von Steven Spielberg co-produzierte Serie handelt von der Verwirklung eines Broadway-Musicals über Marilyn Monroe. Mit Debra Messing ("Will & Grace"), Jack Davenport ("Coupling", "Fluch der Karibik"-Trilogie) und Anjelica Huston. Hinter den Kameras steuern u.a. zwei preisgekrönte Musical-Komponisten und weitere Broadway-Experten ihr Fachwissen bei.
- "Up All Night": Christina Applegate versucht sich nach "Samantha Who?" erneut an einer Sitcom.
- "Whitney": Noch eine Sitcom.
- "The Firm": Eine Fortsetzung des gleichnamigen Kinofilms mit Tom Cruise, basierend auf dem gleichnamigen Roman von John Grisham. Es wird eine internationale Co-Produktion, ansonsten ist noch wenig bekannt.

Fazit: Für mich sieht das neue NBC-Programm eigentlich ganz gut aus. Liebgewonnene, etablierte Serien bleiben dabei, die abgesetzten Serien habe ich sowieso noch nicht gesehen und von den neuen finde ich zumindest "Awake", "Grimm" und "Smash" sehr interessant, vielleicht auch noch "The Playboy Club". Eine US-Version von "Prime Suspect" finde ich unnötig, aber wer weiß, was daraus wird. Die Sitcoms lassen sich erfahrungsgemäß sowieso nicht anhand der knappen Prämissen beurteilen.

Auch, wenn mich persönlich das neue Programm also durchaus anspricht - ich habe meine Zweifel, ob es den Sender wirklich wieder aus dem Quotental herausbringt. Die verlängerten Serien sind allesamt keine echten Quotenbringer und bei den neuen sehe ich auch keinen garantierten Hit. "Awake" ist ein mutiges, aber eben auch riskantes Projekt, der "Playboy Club" klingt für mich nicht unbedingt nach dem, was das US-Network-Publikum sehen will und ob "Smash" von den Zuschauern nicht einfach nur als "Glee"-Klon betrachtet wird, ist auch nicht garantiert. Zudem hat "Grimm" Konkurrenz durch einige neue und ähnlich gelagerte Serien bei den anderen Sendern und ist auch noch für den ungeliebten Freitagabend-Sendeplatz eingeplant.

P.S.: Zu den nicht bestellten neuen Serien gehört übrigens leider die Western-Serie "Reconstruction", die den Sender-Verantwortlichen dem Vernehmen nach zu düster gewesen sein soll. Schade. frown