AUS DEM LEBEN DES G.C.E. GALOTTA von Kathrin Ludwig und Mark Wachholz:
(bestehend aus den Bänden "Der Hofmagier" und "Der Feuertänzer")

Der junge, ehrgeizige Weißmagier Gaius Cordovan Eslam Galotta stößt mit seinen revolutionären Ideen und Forschungen bei seinen konservativen Gildenoberen auf immer stärkeren Widerstand. Da kommt das Angebot des neuen, tatkräftigen Kaisers des Mittelreiches gerade Recht, der Galotta als Hofmagier am Kaiserhof in Gareth einstellen möchte. Galotta nimmt die Chance - gegen den Widerstand seiner Gilde, die sich aus der Politik komplett heraushalten will - wahr und dient Kaiser Reto und dem Mittelreich fast 20 Jahre lang treu. In dieser Zeit erlebt er den Krieg auf Maraskan aus erster Hand mit, forscht für Reto nach einer gewaltigen Waffe, hat eine erstaunliche Affäre, kommt unerwartet zu vier Elfen"töchtern" (was nichts mit der Affäre zu tun hat) und muß sich nebenbei auch um die Erziehung von Retos weichlichem Sohn Hal kümmern, obwohl er diesen von Herzen verachtet.
Doch als Reto schließlich stirbt und Hal zum neuen Kaiser - gar zum Gottkaiser! - gekrönt wird, beginnt Galottas langsamer, aber tiefer Fall ...

Das Vorhaben, eine Biographie einer der wichtigsten, interessantesten und komplexesten "Meisterfiguren" der aventurischen sowie der DSA-Geschichte zu verfassen, ist zweifelsohne ein gewagtes. Doch insgesamt ist es den beiden jungen Autoren gut gelungen.
Die Bücher selbst sind flüssig geschrieben, man merkt kaum einmal, daß es sich um zwei Autoren handelt. Die Handlung krankt an der üblichen Biographien-Schwäche: Es ist eben keine klassische Geschichte mit Anfang, Spannungsaufbau, Höhepunkt und Ende. Sondern eher eine Aneinanderreihung von Episoden, die sich über etwa 30 Jahre hinweg erstrecken.
Doch die Autoren beherrschen es ziemlich gut, dieses Episodenhafte durch gelungene Übergänge zu verschleiern, sodaß man während des Lesens nur selten wirklich bemerkt, daß es keine wirklich stringente Handlung gibt.
Leider bleiben einige der ausgesprochen vielen Romanfiguren relativ oberflächlich, was gerade im Fall von Galottas Elfentöchtern schade ist, daraus hätte man sicher noch mehr machen können.

Wichtiger als die "technische" Beurteilung der Bücher ist in diesem Fall allerdings ein Blick auf die aventurische Authentizität! Immerhin sind die handelnden Personen beinahe ausnahmslos aventurische Berühmtheiten, die jeder DSA-Spieler zumindest namentlich kennen dürfte und von denen letztlich jeder sein eigenes Bild hat - geprägt ebenso durch (teilweise widersprüchliche) Abenteuer und Hintergrundmaterial verschiedenster Autoren wie durch die jeweiligen Meister der eigenen Spielrunden.
(Der folgenden Analyse soll eine ausdrückliche

SPOILERWARNUNG!!!

vorangestellt werden, sie sollte vor allem jene interessieren, die die Bücher entweder gar nicht lesen wollen und diese Rezension letztlich nur aus aventurischer Neugier lesen <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> oder die sich selbst zu den DSA-Veteranen zählen und daher sowieso eine zumindest rudimentäre Kenntnis der jüngeren aventurischen Geschichte besitzen.)

Wie sehr sich das Bild von Meisterpersonen im Laufe der Jahre verändern kann, zeigen gerade Galotta und Hal beispielhaft: Während jüngere Spieler diese beiden Figuren auch aufgrund der "offiziellen" aventurischen Geschichtsschreibung vorwiegend als ultimativen Oberbösewicht (nach Borbarad) beziehungsweise als strahlenden Helden, der selbst den (vermeintlichen) Tod hinter sich läßt, um sein Reich aus größter Gefahr zu erretten, kennen, sieht das Bild für DSA-Spieler der ersten Stunde noch ganz anders aus:
Galotta war immerhin beinahe drei Jahrzehnte lang loyaler Hofmagier am garethischen Kaiserhof, der gerade Kaiser Reto treu gedient und ihm sogar das Leben gerettet hat. Sicherlich, er war bereits damals alles andere als ein typischer Weißmagier, zudem war er ziemlich größenwahnsinnig und ausgesprochen egoistisch. Doch er war alles andere als ein Bösewicht!
Hal hingegen war zumindest in den ersten Regierungsjahren ein ausgesprochen schwacher Herrscher, der überhaupt kein Interesse am und schon gar kein Talent zum Regieren hatte. Er benötigte die Hilfe von Personen wie Galotta, wie Helme Haffax, wie Answin von Rabenmund, wie Raidri Conchobair, wie Waldemar von Weiden und vielen unbekannteren Figuren aus dem Hintergrund, um das Reich nicht in kürzester Zeit in den (zumindest finanziellen) Abgrund zu führen.

Und so arbeiten die Autoren auch deutlich heraus, was man bereits in früheren Publikationen zwischen den Zeilen lesen konnte: Daß es letztlich Hal selbst war - mit tatkräftiger Mithilfe der mysteriösen Magierin Nahema -, der das Ungeheuer Galotta schuf! Natürlich hat Galotta selbst dazu beigetragen, diese Entwicklung heraufzubeschwören. Seine allzu offensichtliche Ablehnung Hals, die feste Überzeugung, für das Reich unersätzlich zu sein, die mangelnde Fähigkeit, sich am Hofe Freunde zu suchen und diese auch zu halten ... Wie gesagt, Galotta war weißgott nicht perfekt. Aber zum Erzbösewicht wurde er erst durch den legendären Scharlachkappentanz. Und danach ist sein Verlangen nach Rache sehr wohl verständlich und man kann gut nachvollziehen - wenn auch natürlich nicht gutheißen - warum Galotta zu dem wurde, zu dem er schließlich wurde ... zum Dämonenpaktierer und zum Heptarchen in den Dunklen Landen (was in den beiden Büchern allerdings nicht mehr behandelt wird, die enden kurz nach der Schlacht der mehr als 1000 Oger).

Daß in dieser Galotta-Biographie die Darstellung von Galotta und Hal dem, was die Spieler in den vergangenen Jahren erfuhren, ziemlich zuwiderläuft, läßt sich übrigens auch an einigen Rezensionen erkennen, die gerade diese "plötzliche Kehrtwendung" kritisieren. Allerdings muß ich einräumen, daß auch ich mir gewünscht hätte, daß Galotta ein klein wenig sinistrer dargestellt worden wäre. Zwar ist seine Entwicklung zum Bösen hin durchaus nachvollziehbar dargelegt, dennoch kommt er vor allem im ersten Band meines Erachtens doch etwas zu gut weg.

Was die weiteren berühmten Figuren in den Büchern betrifft, so lassen sich leider einige Widersprüche zu anderen Publikationen nicht verschweigen: Answins Motivation in der "Verschwörung von Gareth" beispielsweise ist hier eine ganz andere als damals im gleichnamigen Abenteuerband (hab´ extra nachgeschaut <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />) und auch der Scharlachkappentanz entspricht nicht unbedingt der gleichnamigen Kurzgeschichte von Lena Falkenhagen in der Anthologie "Magische Zeiten". Gerade das Verhältnis der Elfentöchter zu Galotta wird doch sehr unterschiedlich beschrieben.
Außerdem meine ich, daß in der vorliegenden Version Galotta eine ziemlich einfache Möglichkeit, sich zu retten, außer Acht läßt (nämlich durch eine seiner Elfentöchter den Großinquisitor Dexter Nemrod rufen zu lassen, während er die Paraphernalien für seinen Zauber erst zusammenstellen lassen muß). Aber das mag man mit Galottas Panik oder schlicht mit seinem egozentrischen Charakter begründen können.

Sehr gelungen finde ich dagegen die Schilderung des späteren Reichsverräters Helme Haffax. Während Galottas Abfall vom "Guten" mir schon immer nachvollziehbar vorkam, war Haffax´ Verrat für mich damals ein echter Schock (wobei ich zu der Zeit schon nicht mehr aktiv spielte, wenn ich mich nicht irre - kann also durchaus sein, daß das in einem Abenteuer überzeugend dargestellt wurde). Hier erfährt man endlich mehr über seine Motivationen und somit wird auch die spätere Entwicklung wesentlich verständlicher.
Andere Figuren wie der Schwertkönig Raidri, Waldemar der Bär, Cuanu ui Bennain, Lutisana von Perricum oder Saldor Foslarin spielen eher Nebenrollen, ihre Schilderung entspricht aber weitgehend meiner Vorstellung von ihnen.
Gleiches trifft auf die Kaiserin Alara zu, die als enge Freundin Galottas eine weitaus größere Rolle spielt. Das intrigante Wesen der Al´Anfanerin, die Galotta in diesem Punkt mehr als gewachsen ist, kommt hervorragend herüber und überzeugt auf der ganzen Linie.
Ein Sonderfall ist Nahema ai Tamerlein. Diese, von DSA-Gründer Ulrich Kiesow selbst geschaffene legendäre Magierin war in der DSA-Geschichte eigentlich noch nie eine nachvollziehbare Person. Wer ihre Schilderung in Kiesows "Das zerbrochene Rad" gelesen hat, der wird sich ernsthaft fragen, wie das die gleiche Person sein kann, die Hal dazu bringt, Galotta mit dem Scharlachkappentanz zu foltern und zu demütigen. Und im Laufe der DSA-Publikationen blieb - zumindest meinem Eindruck nach - eines gleich: Man wußte nie, was Nahema gerade wieder vorhatte oder warum. Daran halten sich auch Ludwig und Wachholz, wenngleich einige Sätze in ihrer Schilderung der Geschehnisse um Nahema durchaus Raum für Spekulationen lassen (hat sie Galottas Sturz mit seinen katastrophalen Folgen für alle nur herbeigeführt, um aus dem schwächlichen Kaiser Hal endlich einen wahren Herrscher zu machen? Aber sollte das zutreffen, dürfte man sich angesichts der folgenden Jahre in der aventurischen Geschichte durchaus über die Verhältnismäßigkeit der Mittel Gedanken machen ...).

Fazit: Die Galotta-Biographie ist ein gelungener Blick in die aventurische Geschichte und als solcher primär für echte DSA-Fans geeignet. Leser, die eher zufällig über die Bücher stolpern, eigentlich aber wenig bis gar nichts mit DSA und Aventurien anfangen können, dürften ihre Probleme haben. Zwar kann man die Biographie grundsätzlich auch ohne Vorkenntnisse lesen und verstehen, aber damit entgingen einem selbstverständlich die ganzen aventurischen Bezüge, die ja gerade das Salz in der Suppe sind! Dabei fällt natürlich besonders positiv ins Gewicht, daß die Autoren Ludwig und Wachholz offensichtlich ausgiebig in den alten DSA-Publikationen geforscht haben und sich selbst sehr gut in Aventurien auskennen. Die aventurische Authentizität ist jedenfalls jederzeit gegeben, daran ändern auch die erwähnten paar kleineren Widersprüche nichts.

Auch soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Galotta-Biographie mit wenigen Ausnahmen (z.B. auf Maraskan) alles andere als actionbetont ist, sondern ihr Hauptaugenmerk auf die berühmten Persönlichkeiten, ihr Verhalten, ihre Beziehungen zueinander, ihre Pläne und Intrigen legt. Letztlich kann man das ganze wohl fast als eine (wenn auch nicht extrem tiefgehende) Charakterstudie bezeichnen.
Mir persönlich hat der erste Band "Der Hofmagier" besser gefallen. Schreibtechnisch gibt es keine großen Unterschiede, aber hier ist Galotta noch obenauf und zudem gibt es einige wahrlich sensationelle Enthüllungen selbst für DSA-Veteranen.
Der zweite Band "Der Feuertänzer" hingegen schildert primär Galottas Absturz und ehrlich gesagt: Es macht (mir) einfach weniger Spaß, das zu lesen, zumal wenn man bereits weiß, wie es enden wird. Dazu kommt, daß Überraschungen diesmal weitgehend ausbleiben und leider einige der Enthüllungen des ersten Bandes schon wieder ziemlich eindeutig relativiert werden. Da fehlte leider der Mut (oder die Erlaubnis der DSA-Redaktion?), die "inoffizielle" aventurische Geschichte nachhaltig zu ändern.

Insgesamt gibt es von mir die Schulnote 2 mit Tendenz zur 2+. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Laut alveran.org wurde übrigens "in einem Nebensatz" ein dritter Band der Biographie angekündigt, der dann wohl das Wirken Galottas als Bösewicht beschreiben würde. Sicher auch nicht uninteressant, wenngleich ein eindeutiger Bösewicht aus Hauptfigur natürlich recht gewagt ist und nicht jedem Leser gefallen wird.

Edit: Ich habe jetzt übrigens noch ein bißchen im Netz geforscht und scheinbar wurde Haffax´ Abfall vom Mittelreich in einer Kurzgeschichte in der Anthologie "Gassengeschichten" behandelt. Muß ich wohl verdrängt haben ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Last edited by Ralf; 19/04/07 03:35 PM.