Nach längerer Pause ist mal wieder ein neuer DSA-Roman erschienen (bis Jahresende soll dafür dann gleich ein ganzer Haufen weiterer kommen) und natürlich prompt von mir gelesen worden:

HOHENHAG von Dietmar Preuß:

Leider ist es bei diesem Buch fast vollkommen unmöglich, eine Rezension zu schreiben, die frei von SPOILERN!!! ist. Das geht aber scheinbar nicht nur mir so, denn der Klappentext des Buches verrät in wenigen Zeilen sogar noch deutlich mehr über den Handlungsverlauf als ich das im folgenden tun werde. Wer sich also die Spannung nicht verderben will, sollte die nächsten Passagen überspringen und sich gleich dem Fazit zuwenden - und im Falle eines Kaufes BLOSS NICHT den Klappentext lesen!
(da waren ja die alten Heyne-Zeiten fast noch besser, als die Klappentexte mitunter GAR NICHTS mit dem jeweiligen Inhalt zu tun hatten ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/stupid.gif" alt="" />)

Genug gelabert und damit zur Sache! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />

Hohenhag ist einer von drei Wehrhöfen an der nördlichen andergast´schen Grenze zum Orkland. Die Bewohner der Wehrhöfe führen ein rauhes, arbeitsames und angesichts zahlreicher Orküberfälle sehr gefährliches Leben. Eines Tages werden die beiden 12-Jährigen Beolf und Sidra bei einem dieser Überfälle geraubt und vom Rikai-Schamanen der Sippe als Sklaven gehalten (was ihnen immerhin den grausamen Tod als Tairach-Opfer erspart ...). Nach jahrelanger Gefangenschaft gelingt den beiden nunmehr jungen Erwachsenen die Flucht und nur ein Gedanke beherrscht ihr Handeln: Rache! Naja, und eine dramatische Dreiecks-Geschichte ...

Als erstes an "Hohenhag" fällt positiv auf, daß es endlich mal nicht die jahrelang verwendete Aventurien-Karte zu sehen gibt (auf der die Schauplätze der meisten DSA-Romane mangels Größe nicht mal verzeichnet sind!), sondern eine zur Handlung passende, die Nord-Andergast und das Orkland abdeckt. Sehr schön, bitte in Zukunft immer so halten! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />

Auch die Handlung beginnt zunächst recht vielversprechend. Die jahrelange Gefangenschaft von Beolf und Sidra bei den Orken wird zwar in nur etwa 100 Seiten und damit zwangsläufig recht oberflächlich abgehandelt, zudem halte ich nicht alle Facetten der Gefangenschaft für allzu realistisch, aber das ganze läßt sich gut lesen, ist ziemlich spannend und auch die Orks werden recht gelungen und authentisch vorgestellt.
Man muß fast sagen: Leider gelingt Beolf und Sidra dann ungefähr zur Hälfte des Buches die Flucht - denn ab diesem Zeitpunkt ließ mein Lesevergnügen sukzessive und deutlich nach! Die Handlung teilt sich hier in zwei große Fäden auf:
Zum einen gibt es das vor allem bei Sidra unbändige Verlangen nach Rache an den Orks. Dieser Handlungsstrang ist weiterhin spannend und unterhaltsam geschrieben, aber dennoch alles andere als tadellos.
Nun war "Rache" bekanntlich schon immer ein sehr kontroverses Thema, das aber viele Menschen auch stark fasziniert, ob in Film (z.B. in "Ein Mann sieht rot") oder Büchern. Kein Wunder, beinhalten doch solche Geschichten zwangsläufig viel Dramatik, Spannung, Emotionen und Action. Das ist auch in "Hohenhag" nicht anders, allerdings ist Beolfs und Sidras Rachefeldzug dermaßen rassistisch, daß es zumindest bei mir ein äußerst mulmiges Gefühl im Magen hinterläßt.
Natürlich mag man - zurecht - einwenden, daß der Roman nunmal in Aventurien spielt und nicht auf der Erde, daß die Orks im Allgemeinen rücksichtslose und brutale Monster sind und daß die Rachegelüste zweier jahrelanger Ork-Sklaven nur zu verständlich sind. Alles richtig. Nur: Das macht die Sache dennoch nicht weniger moralisch zweifelhaft.
Neben diesen moralischen Zweifeln störte mich aber auch, daß Beolf in dieser Phase quasi aus dem Nichts zu einem militärischen Genie avanciert. Klar, er konnte die Kriegstaktiken der Orks während seiner Gefangenschaft studieren, aber was er im zweiten Teil des Romans alles leistet, das ist wahrlich nicht mehr normal. Beolf ist zumindest in dieser Hinsicht zu perfekt, um noch glaubwürdig zu sein oder die Spannung bei den recht zahlreichen blutigen Gefechten mit den Orks gänzlich aufrechtzuerhalten.

Wesentlich ärgerlicher fand ich jedoch den zweiten großen Handlungsstrang: Eine dramatische, aber leider (bestenfalls) zweitklassige shakespeare´sche Liebestragödie. Ganz ehrlich: Wo diese Love-Story mit Hindernissen zunächst noch recht zahm und damit erträglich geschildert wurde, wird es in der zweiten Romanhälfte - als daraus die erwähnte Dreiecksgeschichte wird - immer schlimmer. Das (aber nur bei dieser Thematik!) unerträglich kindische Verhalten der drei Haupt-Protagonisten ging mir im Laufe der Zeit dermaßen auf die Nerven, daß ich am liebsten geschrien hätte! Im Grunde ist die Liebesgeschichte sowieso eher überflüssig und dann noch so eine pseudo-Dramatik - sorry, aber damit kann ich einfach nichts anfangen. Das funktioniert bei Shakespeare, aber nicht hier.

Auch nicht hilfreich ist, daß die Charaktere des Romans sowieso recht flach sind. Letztlich gibt es unter den Menschen einen Bösen, während alle anderen herzensgut sind. Schwarz-weiß-Malerei at its best (oder worst, wie man will)!
Beolf und Sidra sind wenigstens etwas authentischer, aber die interessanteste, "echteste" Romanfigur ist eigentlich der Rikai-Schamane ...

Aber ich will ja nicht nur meckern: Immerhin nimmt dieser Handlungsstrang einen zwar gewichtigen, aber doch nicht den zentralen Raum der Geschichte ein. Lobend muß ich mich über Preuß´ Schreibweise äußern: "Hohenhag" ist trotz seiner Schwächen schön flüssig zu lesen und vor allem die leider recht wenigen humorvollen Szenen sind ausgesprochen gut gelungen. Auch gelingt es dem Autor, die vielen Nebenfiguren äußerst sympathisch wirken zu lassen; flach, aber sympathisch. Und generell ist es natürlich sehr erfreulich, daß mit Andergast auch mal eine sonst eher vernachlässigte, aber nichtsdestoweniger sehr interessante aventurische Region behandelt wird. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Fazit: Während des Lesens schwankte ich in meiner Notengebung ständig zwischen den Schulnoten 2 und 4. "Hohenhag" ist alles in allem ein gefällig geschriebenes Buch mit großteils sympathischen, wenn auch nicht übermäßig authentischen Charakteren. Die teilweise ziemlich konstruierte Story läßt sich bestenfalls als schlicht und zweckmäßig einordnen und wird in der zweiten Hälfte der knapp 300 Seiten aus meiner Sicht zunehmend zum Schwachpunkt des Buches. Wer mit Rache-Geschichten keine Probleme (zumindest, wenn es sich bei den Objekten der Rache "nur" um Orks handelt) und auch nichts gegen ein bißchen schwülstige Seifenoper hat, dürfte mit "Hohenhag" durchaus seine Freude haben. Bei mir reicht es aber - da ich eben weder Seifenopern noch diese Art von Rache-Story mag - nur für die Note 4+.

Last edited by Ralf; 23/08/07 05:07 PM.