IN DEN NEBELN HAVENAS:

Das Romandebüt von DSA-Redakteur Daniel Jödemann erzählt von den Erlebnissen dreier untereinander zunächst unbekannter Hauptfiguren, deren Wege sich - wie bei dieser Art von Geschichte üblich - irgendwann kreuzen werden.
Als erstes haben wir den jungen liebfeldischen Efferd-Geweihten Mero, der an seiner Berufung zweifelt und sich deshalb nach Havena versetzen läßt - in der Hoffnung, an dem Ort, den Efferd einst durch eine verheerende Flutwelle für seine Sündigkeit gestraft hat, Antworten auf seine Glaubensfragen zu erhalten ...
Dann ist da die junge Havenerin Vilai, die nach dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern deren einflußreichen Handelsbetrieb weiterführt und an dieser Aufgabe zu scheitern scheint. Nur: Offenbar ist genau das ihr Ziel ...
Und schließlich haben wir die ebenfalls junge Weißmagierin Cairbre, die aus ihrer nostrischen Magieakademie in ihre Heimatstadt Havena zurückkehrt, in der die Magie bekanntlich ausgesprochen mißtrauisch beäugt wird. So auch von Cairbres Eltern, was offensichtlich auch mit einem tragischen Ereignis aus der Kindheit der frisch gebackenen Magierin zusammenhängt ...

Streng genommen passiert im ersten Drittel des gut 300 Seiten starken Romans ziemlich wenig. Daß es Jödemann dennoch gelingt, das Interesse des Lesers wachzuhalten - und das sogar problemlos! - liegt an einem interessanten Kniff. Denn bereits in den ersten Kapiteln etabliert er um jede seiner Hauptfiguren ein Geheimnis oder Rätsel. Und die sind so interessant (zumindest zwei davon: das der Magierin ist eigentlich relativ leicht zu durchschauen, aber dafür ist sie meiner Ansicht nach der sympathischste Charakter der Geschichte), daß man unbedingt wissen will, wie es weitergeht.

Erfreulicherweise wird diese hohe Erwartungshaltung, die Jödemann mit seiner Methode von Beginn an schürt, durchaus erfüllt. Es entspinnt sich eine spannende, mitunter dramatische Geschichte und speziell einer der drei charakterbezogenen Handlungsstränge entwickelt sich ausgesprochen unkonventionell. Denn eine der drei Personen ist alles andere als das, was sie zunächst zu sein scheint. Da ich nicht spoilern will, muß ich an dieser Stelle leider sehr vage bleiben, aber so viel sei gesagt: In diesem Handlungsstrang schafft der Autor es hervorragend, die Emotionen des Lesers so raffiniert zu manipulieren, daß man das zwar sehr wohl bemerkt, sich aber kaum dagegen wehren kann.
Einen interessanter zur Geltung gebrachten Antagonisten als in "In den Nebeln Havenas" habe ich jedenfalls noch nicht allzu oft kennengelernt ...

Natürlich gibt es eigentlich noch eine vierte Hauptfigur: Havena. Offensichtlich gibt es kaum eine geeignetere Stadt für einen gruseligen DSA-Roman, denn Havena mit seiner verfluchten Unterstadt, der mysteriösen Muhrsape, dem weitgehenden Magieverbot und der ambivalenten Beziehung zum Meeresgott Efferd bietet unzählige Möglichkeiten. Eigentlich erstaunlich, daß diese nicht schon öfter in der mittlerweile sehr umfangreichen DSA-Roman-Reihe behandelt wurden (soweit ich mich erinnere, nur noch in Lena Falkenhagens "Die Nebelgeister").
Und auch in Hinsicht auf die Miteinbeziehung der Stadt und ihrer Besonderheiten muß man Daniel Jödemann großes Lob aussprechen: Er bringt Havena richtig gut, atmosphärisch und anschaulich rüber; dabei hilft es natürlich auch, daß eine seiner Hauptfiguren ortsfremd ist und somit gewissermaßen die Perspektive des Lesers einnimmt.

So richtig viel zu kritisieren habe ich also eigentlich nicht. Vielleicht, daß die Geschichte insgesamt mitunter doch ein kleines bißchen zu unspektakulär daherkommt und zudem recht gemächlich startet. Vielleicht auch, daß das Finale doch ein wenig gehetzt wirkt. Zudem ist es auf gelungene Art und Weise unkonventionell, dabei aber nicht hundertprozentig befriedigend. Auch die Möglichkeit einer Fortsetzung wird übrigens offengelassen.

Aber insgesamt: Ein sehr schöner aventurischer Stadtroman mit interessanten Charakteren, spannender Handlung und erfrischend unnormaler Erzählweise. Dafür gibt es die Note 2+. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />