Das erste große Highlight des Jahres, allerdings mit einer großen SPOILER-WARNUNG!!! verbunden, da dieser Film und das, wovon er erzählt, eine genauere Betrachtung verdient haben - aber wer sich mit dem Thema "Völkermord in Ruanda" einigermaßen auskennt, für den sind fast alle Spoiler sowieso keine mehr - bei einem wende ich aber vorsichtshalber die Spoiler-Funktion an.

HOTEL RUANDA:
Ruanda 1994: Paul Rusesabagina (OSCAR-Nominee Don Cheadle) ist Manager eines belgischen Hotels in der Hauptstadt Kigali. Eigentlich läuft alles ganz gut, zwar hetzen die Hutu gegen ihre früheren Unterdrücker, die Tutsi, aber die UNO hat eben erfolgreich einen Friedensvertrag zwischen den beiden Parteien vermittelt. Doch dann wird der ruandische Staatspräsident in seinem Flugzeug abgeschossen, angeblich von Tutsi-Rebellen. Das nutzen die Hutu - die reguläre Armee, vor allem aber die unberechenbare Miliz - zu einer groß angelegten ethnischen Säuberung.
Durch seine guten Kontakte - u.a. zum Befehlshaber der ruandischen Armee sowie zum Befehlshaber der UNO-Friedenstruppen, Colonel Oliver (Nick Nolte) - und Bestechungen schafft es Paul (der selbst Hutu ist), Hunderte von Flüchtlingen, ob Hutu oder Tutsi, im Hotel zu beherbergen und sie vor Übergriffen durch die Hutu-Milizen zu beschützen. Doch dann versagt die Weltpolitik und zieht die UNO-Truppen aus Ruanda ab. Paul, seine Frau, die eine Tutsi ist, (ebenfalls für den OSCAR nominiert: Sophie Okonedo) und die Flüchtlinge sind auf sich alleine gestellt ...

Ich sage schon seit Jahren, daß Ruanda der größte Skandal in der Geschichte der Vereinten Nationen ist, der Sündenfall der UNO. Vor allem Briten und Amerikaner (der mit Abstand größte Fehler in der Amtszeit von Bill Clinton) ließen die ruandische Bevölkerung damals im Stich. Eben jene Briten und Amerikaner, die sich über die UNO hinwegsetzten, um den Irak anzugreifen, weigerten sich damals, Ruanda zu helfen. Dabei ging es nicht "nur" um Tausende oder Zehntausende Opfer, sondern um Hunderttausende, vielleicht sogar über eine Million Hutu und Tutsi, die in Ruanda innerhalb weniger Monate grausam abgeschlachtet wurden. Wie konnte die Weltpolitik damals einfach wegsehen? Doch nicht nur Briten und Amerikaner tragen Mitschuld an den vielen Toten, auch Franzosen und Belgier, die nur ihre Landsleute evakuierten, die Ruander jedoch im Stich ließen.
Man hört das ja immer wieder, Europäer werden aus krisengeschüttelten Regionen evakuiert, letztes Jahr beispielsweise aus der Elfenbeinküste. Doch was das genau bedeutet, davon wir ja eigentlich gar keine Vorstellung - ich zumindest nicht. Deshalb zählt es auch zu den bewegendsten und aufrüttelndsten Szenen des Films, als die Europäer alle Weißen aus dem "Hotel Ruanda" evakuieren und gleichzeitig die verzweifelten Einheimischen dem so gut wie sicheren Tod überlassen.
Joaquin Phoenix als westlicher Journalist Jack spielt hier sozusagen das Gewissen der Welt. Als die Europäer im strömenden Regen die paar Meter vom Hotel zu den wartenden Bussen gehen, halten ihnen die ruandischen Hotelangestellten sogar noch die Regenschirme über den Kopf, damit sie nicht naß werden. Jack sagt ihnen, daß sie das lassen sollen, er ist den Tränen nahe und seine letzten Worte im Film sind: "Ich schäme mich so."
Manch einer mag diese Figur des Jack als etwas zu populistisch empfinden: Aber mein Gott! Wenn die Weltöffentlichkeit und vor allem die Politik so konsequent die Augen vor einer der größten humanitären Katastrophen des Jahrhunderts verschließt, dann muß man ihr halt auch mal mit dem Holzhammer klarmachen, was sie hier verbrochen hat.
Und daß die Welt nichts aus den Massakern in Ruanda gelernt hat, erleben wir ja zur Zeit wieder im Sudan, wo im Grunde genommen genau das gleiche passiert.
Auch die Hilflosigkeit der UN-Blauhelme wird schonungslos thematisiert. Wer die exzellente britische TV-Produktion "Warriors" über die Blauhelme in Ex-Jugoslawien kennt, wird hier vieles wiedererkennen. Wir es Col. Oliver einmal sagt (und diese Worte klingen nicht nur wie Hohn in den Ohren der Zuschauer, sondern leider auch allzu realistisch): "Wir sind hier, um den Frieden zu bewahren und nicht, um Frieden zu schaffen!"
Die Blauhelme dürfen sich nur verteidigen, ansonsten aber keine Waffen einsetzen. Sie müssen tatenlos zusehen, wie Tausende und Abertausende unschuldiger Menschen gnadenlos exekutiert werden, selbst Kinder. Immerhin muß man der UNO zugestehen, daß sie nach diversem politischen Hickhack letztlich doch einige Tausend Ruander retten konnte.
Nick Noltes furiose Darstellung des frustrierten und machtlosen Colonels ist übrigens seine beste schauspielerische Leistung seit Ewigkeiten, auch er hätte hierfür mit Sicherheit eine OSCAR-Nominierung verdient gehabt!
Auch die weiteren Schauspieler spielen so intensiv, wie es das Thema gebietet: Jean Reno hat eine kleine, aber wichtige Nebenrolle und von den unbekannten Schauspielern überzeugen vor allem Cara Seymour als Mitarbeiterin des Roten Kreuzes, Desmond Dube als Pauls Vertrauter im Hotel, Fana Mokoena als Hutu-General und Tony Kgoroge als zwielichtiger Hotelangestellter.
Die Geschichte von Paul Rusesabagina entspricht übrigens der Wahrheit. <span class='standouttext'>Spoiler : </span><span class='spoiler'>Der echte Paul diente Regisseur und Autor Terry George (manchen vielleicht bekannt durch die Polizei-Serie "The District") als Berater. Und das ist auch das beste am Film: Paul hat wie durch ein Wunder tatsächlich überlebt und lebt heute mit seiner Familie in Belgien.</span>
Fazit: "Hotel Ruanda" ist ein aufrüttelnder und hochdramatischer Film, der sogar noch wichtiger ist als der vergleichbare "Schindlers Liste" - denn die Gräuel des 2. Weltkriegs waren den meisten Menschen sowieso bekannt, wenn auch vielleicht nicht so klar, wie es der Film zeigte. Aber Ruanda ... wer überhaupt weiß, daß es vor gerade mal gut 10 Jahren dort einen Völkermord gab, der hat es wahrscheinlich schon wieder vergessen - genau wie die Politiker. Umso wichtiger ist dieser Film, der ein absolutes Pflichtprogramm sein sollte, nicht nur für Schulen, sondern vor allem für alle Politiker der Welt. Und wenn sie diesen Film gesehen haben, dann sollen sie sich gefälligst darum kümmern, daß so etwas nie wieder passieren kann. Und im Sudan können sie gleich damit anfangen.

Ich weiß, ich weiß. Das ist absolut utopisch ...
Achso, meine Bewertung. Naja, die dürfte wohl klar sein, nach allem, was ich eben geschrieben habe: Glatte 10 Punkte.
Und ein hoher Platz in meinen Jahres-Charts ist dem Film auch gewiß.

Last edited by Ralf; 11/04/05 02:05 PM.