LORD OF WAR - HÄNDLER DES TODES:

Eigentlich ist "Lord of War" von "Gattaca"-Regisseur Andrew Niccol ein amerikanischer Film, aufgrund seines Themas konnte er jedoch nur dank europäischer Gelder finanziert werden ...
Nicolas Cage spielt in "Lord of War" den ukrainisch-stämmigen amerikanischen Yuri Orlov, der im russischen Viertel von New York mit seiner Familie ein tristes Leben führt und irgendwann Anfang der 80er einfach entscheidet, Waffenhändler zu werden. Der Kalte Krieg ist in vollem Gange, das Geschäft floriert. Allerdings sind Yuri und sein jüngerer Bruder Vitali (Jared Leto) letztlich doch nur Amateure mit einer relativ geringen Gewinnspanne, die gegen die etablierten Waffenhändler wie Simeon Weisz (Sir Ian Holm) eigentlich keine Chance haben. Diese Händler der alten Garde machen mit ihren Deals Politik und sind damit so etwas wie der verlängerte Arm der westlichen Regierungen. Yuri und Vitali dagegen verkaufen an jeden, der die Waffen haben will.

Nach dem Ende des Kalten Krieges ändert sich die Lage in den 90er Jahren dramatisch. In der früheren Sowjetunion liegen Riesenbestände von Waffen jeglicher Art herum, nur beaufsichtigt von unterbezahlten Generälen. Der Durchbruch für Yuri Orlov. Doch mit seinem Aufstieg zum "Global Player" wird auch Interpol-Agent Jack Valentine (Ethan Hawke) auf ihn aufmerksam und macht unerbittlich Jagd auf ihn ...

"Lord of War" ist eine bitterböse Satire, die in den USA größtenteils auf blankes Unverständnis gestoßen ist. Konservative Kreise sahen ihn mehr oder weniger als Landesverrat an, während die Liberalen ihm Kriegsverherrlichung vorwarfen - schon kurios!
Tatsächlich hatten Niccol und Cage (der auch als Co-Produzent fungiert) nichts anderes im Sinn als eine schonungslose, aber publikumstaugliche (dank des schwarzen Humors) Aufdeckung des internationalen Waffenhandels. Cage spielt Yuri Orlov als absolut amoralischen Waffenhändler, von dem ich eigentlich die ganze Zeit den Satz "Waffen töten keine Menschen. Menschen töten Menschen." (der gerne von Anhängern des Rechts auf Waffenbesitz in den USA verwendet wird) erwartet habe. Stattdessen gibt es immerhin eine sinnige Antwort auf die Frage, warum er Waffen verkaufe: "Weil ich es gut kann!"
"Lord of War" zeigt in ganzer Konsequenz und scheinbar ohne Wertung (die auch gar nicht nötig ist, denn die Bilder sprechen für sich selbst) Yuris "Geschäfts-" wie auch sein Familienleben mit Ex-Model Ava (sehr gut: Bridget Moynahan), das die Augen vor den Tätigkeiten ihres Mannes allzu bereitwillig verschließt.
Diese Konsequenz und die teils schockierend ehrlichen Bilder (beginnend mit der Titelsequenz, in der gewissermaßen das "Leben" einer Kugel von ihrer Herstellung bis zu ihrem Ende im Kopf eines jungen Afrikaners gezeigt wird) ist gemeinsam mit Yuris lakonischen Kommentaren aus dem Off die große Stärke des Films, die die Schwächen beinahe vergessen läßt.
Beinahe.
Denn leider sind die Lücken im Drehbuch allzu offensichtlich. Ich schrieb weiter oben, Yuri hätte sich eines Tages entschieden, Waffenhändler zu werden. So ist es tatsächlich! Es gibt eine Alibi-Erklärung, wie er seinen neuen Beruf beginnt, aber davon abgesehen kaum etwas Handfestes. Beinahe wirkt Yuri wie ein allwissender Gott, der Film macht sich gar nicht erst die Mühe, seinen Aufstieg zum "Global Player" des Waffenhandels nachvollziehbar aufzuzeigen. Das ist vermutlich sogar bewußt geschehen, damit man sich mehr auf die eigentliche Handlung und damit verbundene Kritik an Politiker und Regierungen konzentrieren kann. Dennoch hat es mich mitunter ziemlich gestört. Ein bißchen mehr Logik und Nachvollziehbarkeit wäre wirklich nett gewesen ...
Erwähnenswert ist übrigens auch der phantastische Soundtrack, zumal die verwendeten Songs von u.a. Eric Clapton, Jeff Buckley, David Bowie oder Portishead nicht nur sehr gut sind, sondern auch textlich zu den jeweiligen Szenen passen wie die Faust aufs Auge. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />

Fazit: "Lord of War" ist eine rabenschwarze, schonungslos offene Satire, die für politisch interessierte Zuschauer auf jeden Fall sehenswert ist, aber nicht die Komplexität und Hintersinnigkeit eines "Syriana" erreicht. 8 Punkte.

Am Ende des Films wird übrigens darauf hingewiesen, daß die USA, China, Rußland, Frankreich und Großbritannien die größten Waffenhändler der Welt sind. Und gleichzeitig die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ...
Was mich wieder an den alten Witz aus Washington erinnert, der kurz vor dem Irak-Krieg die Runde machte:
"Wir wissen ganz genau, daß Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitzt - wir haben ja noch die Quittungen!"

Last edited by Ralf; 08/03/06 05:12 PM.