POSEIDON:
Silvesterabend auf dem Luxus-Kreuzfahrtschiff "Poseidon": Man feiert feucht-fröhlich und vergnügt in das neue Jahr hinein, als pünktlich wenige Sekunden nach Mitternacht quasi aus dem Nichts eine gewaltige Riesenwelle das Schiff trifft und zum Kentern bringt. Diejenigen, die sich im großen Saal befunden haben, sind fast alle noch am Leben, da der Saal vorerst wasserdicht ist und noch genügend Luft zum Atmen verbleibt. Der Kapitän befiehlt daher, einfach zu warten, bis Rettung kommt, doch der frühere Bürgermeister von New York (Kurt Russell) auf der Suche nach seiner Tochter (Emmy Rossum) und ein ehemaliger Marinesoldat (Josh Lucas), der nicht glaubt, daß Abwarten wirklich die beste Alternative ist, machen sich mit ein paar weiteren Personen auf, einen Weg aus dem gekenterten und von Explosionen gebeutelten Schiff zu finden ...

Eigentlich schien es eine gute Idee zu sein, mit den heutigen technischen Möglichkeiten ein Remake des Katastrophenfilm-Klassikers "Die Höllenfahrt der Poseidon" aus dem Jahr 1972 zu drehen, zumal Regisseur Wolfgang Petersen sich mit dem nassen Element ja gut auskennt (siehe "Das Boot" und "Der Sturm"). Im Nachhinein war es leider doch keine so gute Idee. In den USA ist der Film gnadenlos gefloppt, in Deutschland ebenfalls, lediglich in Asien kommt er überraschend gut an.
Und es hat seinen Grund, daß "Poseidon" kein wirklicher kommerzieller Erfolg wurde. Um genau zu sein, gibt es zwei konkrete Gründe dafür:
Das grottenschlechte Drehbuch, das wirklich keine Klischeefalle ausläßt und Petersens dramatische Fehlentscheidung nach den Dreharbeiten, fast alle Szenen, die der Charakterzeichnung dienen sollten, rauszuschneiden.
Erneut klingt die Idee, die hinter dieser Fehlentscheidung steckt, gar nicht so übel: Petersen wollte die Taten der Charaktere für sich sprechen lassen.
Dumm nur: Das funktioniert nicht!
Dafür sind die Charaktere einfach nicht interessant genug und auch nicht gut genug gespielt. Und die wenigen ruhigeren Szenen (v.a. ganz zu Beginn des Films) lassen die Charaktere nicht mal sonderlich sympathisch rüberkommen. Ein Kardinalfehler für einen Katastrophenfilm, bei dem das Publikum ja eigentlich mit den Personen, die um ihr Leben kämpfen, mitzittern soll ...

Gerade der Vergleich mit dem immer noch beliebten, wenn auch aus heutiger Sicht etwas trashigen Original zeigt die Schwächen von Petersens Version auf: Noch heute erinnern sich viele an die liebevoll gezeichneten, realistischen Charaktere, die von großen Schauspielern wie Gene Hackman, Ernest Borgnine, dem letzte Woche verstorbenen Red Buttons, Roddy McDowall und vor allem der ebenfalls erst vor ein paar Monaten verstorbenen Shelley Winters glaubwürdig zum Leben erweckt wurden.
Ja, selbst Leslie Nielsens kleine Rolle als Schiffskapitän hatte mehr Substanz und Gefühl als sämtliche Rollen der Neuverfilmung!

Gut, die Besetzung von "Poseidon" ist eigentlich gar nicht schlecht: Kurt Russell, Josh Lucas, Richard Dreyfuss, Emmy Rossum, Mia Maestro, Kevin Dillon, Freddy Rodriguez, Andre Braugher (dazu Black Eyed Peas-Sängering Stacey "Fergie" Ferguson als Bordsängerin) - das sind alles keine Nichtskönner. Aber sie sind leider auch nicht gut genug, um solch flache Charaktere, wie sie ihnen das Drehbuch aufzwingt, mit echtem Leben zu erfüllen.

Soweit klingt das von mir Geschriebene also nach einem waschechten Verriß.
Der Witz ist: Aller Kritik zum Trotz hat mir der Film letztlich doch Spaß gemacht!
Die Spezialeffekte von George Lucas´ ILM sind über weite Strecken durchaus beeindruckend und der Untergang der Poseidon sieht richtig gut aus. Und da auch Wolfgang Petersen alles andere als ein schlechter Regisseur ist, gelingt es ihm und seinen Darstellern selbst in den klischeebeladensten Szenen noch, sie aufregend und spannend darzubieten - Respekt, das muß man auch erst mal schaffen!
Aufgrund der Kürze des Films (gut 90 Minuten) kommt trotz affiger Dialoge und den restlichen Schwächen auch nie wirkliche Langeweile auf und die Musik von Klaus Badelt ist eine gute Untermalung des Films.

Wenn man "Poseidon" also als das nimmt, was er ist - sinnfreie Sommer-Action-Unterhaltung nämlich -, dann bekommt man durchaus Zufriedenstellendes geboten. Wer mehr sucht, hat in einem Katastrophenfilm eigentlich sowieso nichts verloren - sollte aber zumindest lieber auf den wesentlich besseren "Die Höllenfahrt der Poseidon" zurückgreifen. Oder gleich auf James Camerons "Titanic" ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
6,5 Punkte.

Last edited by Ralf; 17/07/06 03:08 PM.